sagt Penn Jillette, und er vermutet, dass die Leute in einem Code sprechen, den er nur nicht versteht. Das ist eine lustige Idee, aber ich glaube das nicht. Ich denke, dass Menschen generell in der Lage sind, zu einer bestimmten Sache völlig bekloppten Mist zu sagen, und trotzdem ansonsten völlig normal zu funktionieren. Compartmentalization. Für mich immer wieder bemerkenswert.
Unser heutiges Beispiel ist die Rabbinerin Elisa Klapheck, die bei faz.net wirklich eine ganz besondere Dose bat shit crazy stuff aufgemacht hat. Ich kann von ihr natürlich nicht guten Gewissens behaupten, dass sie eine gute, anständige, kluge, nicht völlig bekloppte Person wäre, aber ich unterstelle es ihr einfach mal wohlwollend. Und trotzdem sagt sie zuerst
Die Schuld des Verbrechers ist eine andere als die finanzielle Schuld oder die Schuld gegen Gott.
was einerseits durchaus Sinn ergibt, andererseits aber…. sagen wir: keine große Erkenntnis ist. Wenn ich jemanden totschlage, ist das was anderes, als wenn ich mir Geld von ihm leihe. Wow, Danke, Frau Rabbinerin. Und dann vergisst sie diese Unterscheidung für das restliche Interview wieder und wirft die verschiedenen Konzepte fröhlich durcheinander, und wenn sie schon mal dabei ist, vermischt sie das Ganze noch mit einer dieser bat shit crazy abenteuerlichen Ideen von Ethik und Mitmenschlichkeit, die Religionen uns andrehen wollen:
Ohne Schuldgefühl können wir keine Gemeinschaft bilden. Ja. Wenn man unter „Schuldgefühl“ etwas völlig anderes versteht als der allgemeine Sprachgebrauch, dann vielleicht. Wenn ich einmal drüber nachdenke, spricht Frau Klapheck hier wohl ausnahmsweise wirklich in einem Code. Sie meint mit „Schuld“, „Schulden“ und „Schuldgefühl“ anscheinend eher so etwas wie „Verantwortungsbewusstsein“ und… in Ermangelung eines besseren Begriffs: Reziprozität, oder vielleicht auch Gerechtigkeitsempfinden. Wieso man Schulden in etwas Besseres verwandeln muss, wenn sie sowieso schon etwas Gutes sind, ist mir zwar noch nicht ganz klar, aber das mag noch kommen. Schauen wir mal guter Hoffnung, was Frau Klapheck sonst noch zu sagen hat. Vielleiht wird’s ja gar nicht so schlimm.
Ja. Ähm… Na gut… Sie sagt zwar erst, ein schuldfreies Leben gäbe es nicht, um dann zu sagen, dass Menschen ohne Schuldgefühl oft meinen, sich alles erlauben zu können, aber ich schätze, man kann auch mit Schuld(en) ein Mensch ohne Schuldgefühl sein, und wenn wir dann noch die Begriffe wie oben ersetzen, passt es wieder einigermaßen. Was sie mit „Zynismus“ meint, weiß ich zwar jetzt noch nicht, aber das spielt ja auch keine so große Rolle… Schnell weiter.
Die FAZ fragt die Zaubernuss Frau Klapheck auch nach der Vergemeinschaftung von Schulden, im Kontext der Finanzkrise, und bekommt eine Antwort, von der ich behaupte, dass ein Satiriker sie sich nicht besser hätte ausdenken können:
Ach was. Wenn es gut für die EU ist, sollten die Schulden vergemeinschaftet werden. Das war die Frage, Frau Klapheck. Die Frage war, ob nicht die Gefahr besteht, dass eine solche Vergemeinschaftung von den Schuldnern als Freibrief zum Hemmungslosen Schuldenmachen genutzt wird.
Schön. Sehr schön gelöst. Die Frage völlig umgangen, indem man man einfach postuliert, die Schuldner dürften das eben nicht als Freibrief sehen, wenn alle füreinander bürgen, und sogar noch ein bisschen stupiden Rassismus eingebaut („Alle Griechen dieser Welt“). Köstlich auch der klassische „Also“-Trick am Anfang. Ich profitiere auch von der Fahrgemeinschaft zum Yogilates-Training. Bürge ich dann also auch für alle anderen, die da so mitfahren, wenn die mal ihre Schulden nicht mehr bezahlen können?
Aber am besten hat mir der folgende Absatz gefallen, in dem Frau Klapheck erklärt, warum wir unsere gesamte Weltwirtschaft eigentlich ihrer Religion zu verdanken haben:
Sowas machen religiöse Apologeten gerne, und ich finde das so dreist, dass mir lauter unfreundliche Worte dazu einfallen, die ich uns heute aber mal ersparen will. Ist ja Sonntag. Deswegen nur mal allgemein und ganz sachlich: Es läuft so nicht. Ihr dürft nicht irgendein völlig weltliches Konzept wie die Überzeugung, dass jemand einen Vertrag mit mir erfüllen wird, als „Religion“ definieren, um dann – Presto! – die steile These aus dem Hut zu ziehen, jeder, der dieses Konzept benutze, sei religiös. Und über die Behauptung, ohne Judentum gäbe es keinen Optimismus, müssen wir auch nicht diskutieren, oder?
Die FAZ fragt natürlich munter weiter, völlig unbeirrt davon, und falls der Interviewer sich fragt:
dann ist davon zumindest nichts nach außen gedrungen, und er unterhält sich mit ihr ganz ernsthaft über die Fragen, als würde sie nicht einfach nur irgendwelchen Stuss erzählen, den sie aus irgendeinem alten Buch voller Stuss herausgedeutet hat.
Und Winnie the Pooh sagt:
It is more fun to talk with someone who doesn’t use long, difficult words but rather short, easy words like „What about lunch?“
Aber gerade fällt mir noch was auf, was jetzt mein neuer Lieblingsteil des Interviews ist:
Und weder Frau Klapheck selbst, noch der Interviewer, kommen in diesem Moment auf die naheliegende Frage: Nach welcher sonderbaren Vorstellung von Moral ist denn ein Trieb böse, der die Grundlage unseres Lebens ist und ohne den wir nicht existieren können?
Aber ich glaube, das ist sowohl die Antwort auf unser erstes Rätsel
als auch die Erklärung für die religiöse Fähigkeit zur Compartmentalisierung:
Religiöser Glaube ist die Konditionierung darauf, bestimmte Dinge eben nicht infrage zu stellen, sondern zur Not unter völliger Aufopferung der eigenen intellektuellen Integrität zu rechtfertigen und gegen jede Logik und Realität zu verteidigen. Und wenn ich eine Idee erst einmal von Logik und Realität abgekoppelt habe, dann kann ich andererseits auch meine Logik und die Realität völlig unabhängig von dieser Idee betrachten und kann im Alltag zum Beispiel völlig meine gerade eben noch gemachte Behauptung, mehr als ein Sechstel Gewinn sei zu viel, auf den Einwand, manche Juden würden ja viel höhere Zinsen nehmen, einfach leichtfüßig rechtfertigen mit:
Das waren Marktpreise, die das hohe Ausfallrisiko und die Knappheit des Kreditangebots spiegeln.
Dann hätten wir das ja geklärt.
Wann darf Winnie the Pooh endlich ein Interview zur Finanzkrise geben? Oder vielleicht diese andere Comicfigur, die zurzeit so oft in den Nachrichten ist, weil sie irgendwelche Kredite zu talmudwidrig niedrigen Zinsen angenommen hat? Das wäre bestimmt auch lustig.
das einzige das mich an diesem beitrag erstaunt ist dass er dich zu einem post motiviert hat. das ist so seicht und voller theologen-blabla…
naja, irgendwer muss sich auch damit quälen.
Du hast das mit den „Ja, eh…“-Wochen immer noch nicht verstanden, oder?
@malefue: Jetzt hack doch mal nicht so auf Muriel rum! Ist doch auch mal schön, bei einem Artikel einfach mal gemütlich mit dem Kopf nicken zu können.
Das erstaunlichste an dem Artikel finde ich eigentlich, dass es solche inkohärenten Gedankenstränge unwidersprochen in ein deutsches Qualitätsmedium schaffen…
Und @Muriel:
Ich glaub das rahme ich mir ein…
@Günther: Qualitätsmedium? Wo?
tja, muriel. ich hatte gehofft die wären vielleicht gekürzt worden. langsam bereue ich meinen sarkasmus.
@Günther: ich nicke oft mit dem kopf wenn ich hier lese, aber ich bin interessantere kratzbäume gewohnt.
@malefue: Mal Spaß beiseite, damit du mir nicht noch desertierst: Ich habe nicht mit Absicht was Langweiliges ausgewählt. Ich fand Frau Klaphecks Ausführungen sehr unterhaltsam. Menschen sind da manchmal unterschiedlich.
Mit ein bisschen Glück koinzidieren unsere Geschmäcker bald wieder besser.