Ein Richter des Amtsgerichts Köln hat im April 2011 (Ich weiß, ich bin ein bisschen hinterher in meiner NJW-Lektüre.) offenbar den xkcd-Comic zur Zitogenese mittels Wikipedia gesehen
,
sich gedacht: „Warum so kompliziert, wenn es auch einfach geht?“, und sich in seiner Urteilsbegründung einfach direkt auf Wikipedia bezogen. Oder, wenn man es technisch mag: Nicht ganz direkt. Er hat sich auf eigene Kenntnis berufen und diese wiederum auf Wikipedia gestützt.
Für den Kläger war es in diesem Fall sicherlich nicht so lustig, denn es hat ihn (mutmaßlich) den Prozess gekostet. Ich finde die Argumentation des Gerichts in ihrer Offenheit irgendwie rührend. Stark verkürzte Vorgeschichte: Ein Mieter fand es doof, dass sein Vermieter bei der Sanierung von Rohren ein Epoxidharz verwendet hatte, denn das sei krebserregend, und er habe jetzt kein Trinkwasser mehr. Er kürzte die Miete. Der Vermieter verklagte ihn dafür, und verlor, denn:
Wow.
Nicht nur, dass Wikipedia als Quelle für derartige Erkenntnisse schon a priori ungeeignet ist: Das Gericht unterstellt hier etwas als wahr, weil jemand ins Internet geschrieben hat, dass der Verdacht besteht, dass es so sein kann. Ich würde meinen, dass man nicht mal Jura studiert haben muss, um zu erkennen, dass eine solche, ähem, Beweiswürdigung rechtsstaatlich nicht ganz sauber ist, aber wahrscheinlich wird ein elitärer Volljurist wie dieser Richter sich dergleichen von einem Stümper wie mir nicht sagen lassen, deshalb fahre ich eine unanfechtbare Autorität auf, um meine Kritik zu untermauern. Reicht sicher als Berufungsbegründung.
Sachen gibt’s.
Und ich hab mich über Anwälte aufgeregt, die in ihren Klageschriften Wikipedia als Beweis nehmen…
hahaha, drollig.
und schöne pointe, ab heute humorblog!
Nett – ich dachte bisher, dass Gerichte zur Klärung solcher fachlicher Fragen Sachverständige hinzuziehen, wieder was gelernt…
Jimmy Wales ist ein Sachverständiger in ALLEM. Wer behauptet hier was anderes? Oh, übrigens, habt ihr mal nen Euro für Jimmy Wales?
Gut, dass es Wikipedia gibt,
aber auch der Blick in Sicherheitsdatenblätter bestätigt, wie gefährlich diese Stoffe der WGK 2 und 3 sind, ein Sachverständigengutachten wäre also vollkommen überflüssig gewesen.
Es war nicht nur doof, was der Vermieter gemacht hat, es ist dazu auch noch gefährlich und verboten, da ist eine Mietminderung hoffentlich nur der Anfang. Wer mit der Gesundheit seiner Mieter spielt, sollte härter bestraft werden.
Epoxidharzbeschichtungen in Trinkwasserleitungen sind in Deutschland nicht zugelassen, darauf hätte auch der Vermieter kommen können, ein Blick u. a. in Wikipedia (s. auch STERN-Beitrag von 2007*) hätte genügt.
Dieser Vermieter hatte sich aber bewusst für das nicht zugelassene Rohrinnensanierungsverfahren entschieden, denn er wurde nachweislich vorher vom Kölner Gesundheitsamt gewarnt.
Da darf eine Mietminderung von 20 % nur der Anfang sein.
* Wie gut ist Wikipedia?
http://wikipedistik.de/2007/12/05/stern-titelthema-wie-gut-ist-wikipedia/
An der Schule wurde Wikipedia gerade noch als Quelle für Referate toleriert. An der Universität wurde es im besten Falle kritisch, im schlechtesten Falle als unzitierbar bewertet. Und nun beruft sich allen Ernstes ein Richter auf eine Quelle, die von jedem Menschen mit Internetanschluß verändert werden können? »Bedenklich« ist da noch gar kein Ausdruck …
Kannst Du mir, sofern es Deine Zeit zuläßt, den Gefallen tun, ACTA juristisch zu analysieren? Ich verstehe zwar den Text, allein die juristischen Implikationen bei der Auslegung wären wohl weitaus interessanter und – selbstredend – wichtiger.
@ichbindaswortistich: Ich würde dir den Gefallen wohl tun, aber du solltest dir nicht zu viel davon erwarten. Ich habe zwar was Einschlägiges studiert, aber ich praktiziere nicht, und wenn, dann eigentlich nur deutsches Recht. Insofern weiß ich nicht, ob meine Meinung da viel interessanter oder fundierter sein wird als deine eigene.
Aber wenn ich die Zeit mal finde, denke ich hoffentlich an den Vorschlag.