Wie ist das eigentlich bei der FAZ? Haben die so eine interne Redaktionsregel, dass man zwar dauernd dieses fürchterliche neumodische Internetdings kritisieren muss, dabei aber keinesfalls mal ein halbwegs zutreffendes oder auch nur a priori entfernt plausibles Argument anbringen darf? Ist das so eine Art Spiel für die? Gibt es vielleicht Punkte für die dümmstdreisteste Kritik, und der mit den meisten schlechten Argumenten gewinnt?
Im Vergleich mit anderen Beispielen ist das heutige dabei gar nicht mal preisverdächtig, aber die paar enthaltenen Kritikpunkte sind mal wieder so spektakulär doof und mein Blog hier in den letzten Tag so unspektakulär leer, dass ich sie hier kurz besprechen möchte.
Der Artikel von Lina Timm mit dem beinahe schon wieder erstaunlich uncleveren Titel „Liebe: Mein Herz für deine SMS“ verschießt wie von faz.net gewohnt bereits im Teaser sein gesamtes inhaltliches Pulver:
Ihr habt davon vielleicht ja auch mal gehört, dass sowas angeblich irgendwie geht, aber wahrscheinlich war euch nicht klar, dass dieses eigenartige und völlig neuartige Phänomen des Flirtens über Distanz ganz neue Probleme schafft, deswegen wollt ihr jetzt bestimmt wissen, welche das sind. Diese ganz neuen Probleme, die es früher in der Liebe nicht gab, und die erst durch das Flirten bei Messaging-Diensten in die Welt gespien wurden.
Dazu kommen wir auch gleich, aber erstmal brauchen wir Grundkenntnisse, und dazu liefert uns eine ausgewiesene Koryphäe steinharte Fakten:
Jawoll, permanent und ausschließlich. Die Jugend schreibt heute also immer und ununterbrochen, und tut nie irgendwas anderes als zu schreiben. Bestimmt wusstet ihr das nicht. Aber macht euch nichts draus. Konntet ihr ja nicht. Um das zu wissen, muss man schließlich bereits seit den neunziger Jahren darüber forschen, wie sich die Kommunikation verändert. Und dafür gibt es eben Experten wie Sherry Turkle, die uns neben einem solch soliden Fundament an Einsicht in die Kommunikationsgewohnheiten der Jugend schließlich auch noch unsere Frage beantwortet, worum es bei diesen ganz neuen Problemen geht, die das Flirten bei Messaging-Diensten in der Liebe schafft. Seid ihr auch schon so gespannt wie ich?
Nicht wahr? Bisher unvorstellbar, im realen Leben, an der Bar, dass jemand sich beim Flirten so darstellt, wie er gern sein möchte, und dass man sich sein Gegenüber so vorstellt, wie man es gern hätte, und sich dann am Ende aber täuscht. Das gibt es nur bei diesen neumodischen Messaging-Diensten. Und falls ihr nicht sicher seid, wie ihr das findet, hat die Expertin natürlich auch gleich ihre professionelle Einschätzung als Wissenschaftlerin dazu für uns:
Die Amerikanerin hält das für eine zweifelhafte bis gefährliche Entwicklung.
Oioioi, oder? (Und bevor jemand einwendet, dass man an der Bar ja wenigstens sein Gegenüber sieht und den unförmigen ungewaschenen 67jährigen von einem heißen sportlichen Mittzwanziger unterscheiden kann: In dem Text geht es explizit um das Online-Flirten mit Leuten, die man sowieso schon persönlich kennt, nicht mit Fremdem.) Und sie steht damit keineswegs allein da. Auch deutsche Forscher bestätigen die Ergebnisse der amerikanischen Wissenschaft:
Ja-ha! Online zeigen wir nur Facetten von uns selbst, nicht wie sonst immer das ganze Selbst! Ihr, die ihr mit diesem modernen Schweinkram so wenig am Hut habt wie ich, kennt wahrscheinlich auch nur die klassische Form des Flirtens, in der man immer sofort ganz ehrlich und vorbehaltlos alles von sich zeigt, aber online ist das anders. Ehrlich. Schwer vorstellbar, aber denkt euch nur, zum Beispiel:
Da steht dann nicht jeder Film, den man eigentlich mag, unter „Gesehen“ im Facebook-Profil.
Unvorstellbar, oder?
Aber zum Glück besteht keine Gefahr, sich ob der damit quasi unvermeidlichen niederträchtigen gegenseitigen Täuschung in den Falschen zu verlieben, denn für einen weiteren Experten, den Psychiater Wolfgang Paetzold
Eben. Und dann kommt schießlich noch ein letztes Problem hinzu, das es nur beim Online-Flirt gibt, und das die Welt bisher nicht kannte:
Und ich denke, damit ist der Ofen dann wohl endgültig aus. Man zeigt nur Facetten seiner Persönlichkeit, kann sich attraktiver darstellen, als man eigentlich ist, es besteht die Gefahr von schwer zu revidierenden Missverständnissen, und außerdem kann man sich sowieso in Texte nicht verlieben. Dieses Online-Flirten ist also eindeutig zum Scheitern verurteilt, und wir bleiben mal lieber bei der einzigen Möglichkeit, unsere Mitmenschen vernünftig kennen zu lernen, und sich anständig zu verlieben: der Bar.
Da fällt mir ein, ich hab kürzlich von so einer Wissenschaftlerin gelesen, die behauptet, dass einem Kameras die Seele stehlen…
Bleibt nur eine Frage: Was ist dieses „ganze Selbst“? Und will das überhaupt jemand sehen?
Und ohne dieses internetz wären schüchterne menschen wie ich vielleicht auch irgendwann mal ausgerottet, wie es sich gehört.
(der mann und ich sagen bei solchen gelegenheiten immer zueinander: äh, also internetbekanntschaften? nää, das wird nix!)
Ich muss mich ja zum Glück nicht mehr angesprochen fühlen, ich bin aus dem gefährlichen Alter raus und kann das ungeniert handhaben, wie’s mir gefällt.
Guinan, wir haben ein Problem.
Bei uns is ja eh verbotene Liebe, mit uns hätte die FAZ so oder so ein Problem. Also was kümmerts uns?
Hachz. Wie Romeo und Julia.
Ich rege mich ja eigentlich bei diesem Thema wirklich auf, aber hier ist der Gegner so lächerlich, daß es sich nicht so richtig lohnt.
Aber.
Hm.
Ich glaube, ich rege mich trotzdem noch ein bißchen auf. Aber ich schreib es nicht hier. Weil gehört ja nicht zu meinen besten Seiten, deshalb zeig ich es Euch lieber nicht.
@DasSan Ja, genau, bei uns dasselbe.
Ich finde es schade, dass du bei deiner Kritik so sehr an der Oberfläche bleibst. Schwere grammatische Fehler, die auf tief(f)liegende psychische Störungen hindeuten, werden von dir nicht mal erwähnt. So heißt es natürlich nicht „Die Jugend ist heute permanent und ausschließlich am Schreiben.“ sondern „Die Jugend ist heute permanent und ausschließlich am Schreiben dran.“
Wenn es schon daran hapert… *augenroll*
@Henk: Wäre nicht eher richtig: „Die Jugend ist heute permanent und ausschließlich am Schreibend dran sein seiend.“?
Jetzt wird es mir zu intellektuell. Du tust ja gerade so, als würde meine Formulierung auf tiefliegende psychische Störungen hinweisen. Oder so.
Außerdem: Du trollst doch! Das ist doch hier nicht DEIN Blog!!
(Entschuldige bitte meinen Quatsch. Wenn du aber zuletzt immer nur noch Dinge schreibst, denen ich beim übelsten Willen nicht widersprechen kann, dann bleibt mir nichts anders übrig. Du bist also in Schuld dran sein. Seiend.)
Herzlichen Glückwunsch übrigens zur Buchveröffentlichung! Das kommt zwar spät, aber von Herzen.
Ich habe hier übrigens grade zum dritten Mal in dieser Vorweihnachtszeit so einen dieser Aufträge, wo eine Hälfte einer anscheinend gelungenen und schon länger stabilen Partnerschaft für die andere Hälfte ein schönes Erinnerungsbuch mit den Emails und Chatprotokollen der ersten Kennenlernphase binden lässt. Ich soll das dann ja alles nicht so genau lesen, aber ich bin ganz sicher, daß es alles diese ganz seltenen Ausnahmen sind, die die Regel bestätigen, daß das eigentlich nie klappen kann.
@madove: Ach komm, jetzt nimmst du uns aber auf den Arm. Dass aus so einer Internetbekanntschaft irgendwas wird, ist doch nun wirklich völlig unplausibel.
Genau!
(mein unplausibel hat bald 11. Jahrestag *yay*)
@madove: Auf die Idee wäre ich zwar nie gekommen, finde das aber sehr sehr entzückend.
Lieber Muriel, heute fand ich noch etwas für Dich zum „verlieben“.
http://www.freiewelt.net/interview/gratiskultur-zerstort-guten-journalismus-10018861/
Ich war ganz brav 8) bitte bitte nimm Dir das mal vor 😉