Am 25. Januar 2008 schrieb Stefan Niggemeier anlässlich der Berichterstattung über DJ Tomekks Nazigruß:
Und er bringt damit, denke ich, ein Gefühl zum Ausdruck, das ich auch sehr sehr oft empfinde, wenn irgendwer öffentlich irgendwas sagt, wie zum Beispiel unsere Kanzlerin in dieser völlig anderen Situation:
Und ich würde mir so sehr wünschen, Frau Merkel wäre einmal nicht über dieses Stöckchen gesprungen, sondern hätte den Journalisten wenigstens einmal so etwas geantwortet wie „Na und? Warum denn auch nicht? Wissen Sie, was ich manchmal in vertraulichen Gesprächen sage? Klar wissen Sie das. Ungefähr sowas, wie Sie auch manchmal in vertraulichen Gesprächen sagen, und jeder andere auch, und wir beide wissen, dass ‚Fuck the EU‘ im Vergleich noch relativ zahm ist, oder? Wollen Sie mich nicht lieber was Interessantes fragen wie zum Beispiel, was wir mit unseren hoffnungslos kaputten und missgestalteten Sozialsystemen machen, oder was die EU tun kann, um ärmeren Ländern die Chance zu geben, zu vernünftigen Bedingungen mit unseren Bürgern handeln zu treiben und so allmählich erträgliche Lebensbedingungen und sowas wie Wohlstand für die ihren zu schaffen? Hier, passen Sie auf, ich sags gleich auch selbst für Sie: Fuck the EU. Haben Sies, oder soll ich noch mal?“
Würdet ihr nicht auch von einer Regierung und ihren Funktionären erwarten, dass sie die Souveränität aufbringen, es völlig egal zu finden, wenn jemand irgendwo „Jehova“ gesagt hat, und ihre Arbeit nicht zu unterbrechen, um irgendeinem Journalisten ins Mikrofon zu quaken, dass sie natürlich total beleidigt und empört sind?
Mir fehlt die Eloquenz, um hinreichend deutlich zu machen, wie intensiv mich diese leeren Rituale ankotzen, die wir hin und wieder öffentlich aufführen zu müssen meinen, obwohl alle Beteiligten genau wie auch die Zuschauer wissen, dass es Theater ist, und nicht mal gutes. Und wie sehr ich mir wünsche, dass hin und wieder eine Person öffentlichen Interesses sich diesem Theater verweigert. (Oder passiert das vielleicht hin und wieder sogar, und steht dann halt aus offensichtlichen Gründen nur nicht in der Zeitung? Hm.)
Ich glaube, es wäre ein lohnendes Ziel, an einer Gesellschaft zu arbeiten, deren Vertreter sich ein besseres Image davon erhoffen können, ihren Job zu machen, statt mit lautem Klappern und Pfeifen die Gegenseitigeverschaukelungsmaschinerie zu bedienen. Und ihr so?
Na ja, Zustimmung, trotzdem, ich so:
außer der Nazikeule hab ich nix mehr (seit mir so eine sächsische Seilschaft mitten im Westen die Hütte angezündet hat, und die Idioten vergessen haben vorher mal auf den Kalnder zu gucken: war halt am Hitlergeburtstag zufällig).
Da schwing ich die halt. Ist die einzige Keule, die erlaubt ist.
Oder: „Ein vertrauliches Gespräch wurde illegal belauscht – entschuldigen muss sich derjenige, der die Regeln verletzt hat…“
Nulands Entschuldigung kommt einem Eingeständnis gleich, dass sie es doch so von Herzen meinte. Es erstaunt mich laufend, wie Regierungen Leute zu wichtigen Ämtern auswählen, welche nicht einmal in der Lage sind sich selbst zu managen.
(Außerdem, der Ausdruck im Englischen „f… the…/you…“ ist weniger ein Ausdruck der Herablassung für das/den anderen, als vielmehr ein Zeichen der intimen Beziehung zum Gesprächspartner. So hätte Nuland niemals den Ausdruck im Gespräch mit Obama gebraucht.)
Betr. Niggemeiers Artikel:
„…Zeichen von Reife der deutschen, überwiegend nicht-jüdischen Gesellschaft, sechs Jahrzehnte nach dem Holocaust…“
Dies ist die typische deutsche hirnlose hergeplapperte p/k Formel, die dann alles was danach kommt urteilen oder rechtfertigen soll.
Als ob der H/C den Gesamtinhalt 12 Jahre bedeutender deutscher Geschichte ausmacht. Selbst die Katastrophe des Weltkiegs war ein Hintergrundgeplänkel gegen den H/C! Die Japanische Geschichte wäre reduziert auf das Massaker von Nanking.
Guter Artikel.
Nette Grüße
Ich finde diese Inszenierungen auch ziemlich nordkoreanisch. Gegen die EU scheint mensch nix sagen zu dürfen. War ja auch im Lanz-Wagenknecht-Interview so. Wagenknecht wollte sagen dürfen, dass in der EU nicht alles so super läuft, das fand Lanz ungefähr so schlimm als hätte sie gesagt sie foltert kleine Kinder in ihrem Keller. Diskurs nicht erlaubt, erschreckend.
Falls es wen interessiert, es gibt ein Transkript von dem Gespräch. Das Interessante ist m. E. nicht „fuck the EU“, sondern die Art, wie die Amerikaner über die politischen Prozesse sprechen (sie haben dann doch sehr klare Vorstellungen, was da passieren soll und wollen sich mal tüchtig einmischen).
http://www.bbc.co.uk/news/world-europe-26079957
[…] Mir fehlt die Eloquenz, um hinreichend deutlich zu machen, wie intensiv mich diese leeren Rituale an… […]
[…] Blogger „Muriel”: […]
Wer und wo sind diese Zuschauer, die das wissen und wärst du bereit, diese gegen meinen Eimer zu tauschen? Ich leere ihn auch und mache ihn vorher sauber, versprochen.
@unendlichefreiheit: Eimer kann man immer gebrauchen. Her damit!
Kommunikation auf diesem Level dient eben nicht dem Informationsaustausch, sondern nur dem Medienzirkus.
[…] Oder was meint ihr? Findet ihr es auch ein bisschen sonderbar, dass “Die Belgier sind Nazis, die ihre Kinder töten wollen, statt ihnen zu helfen, und demnächst bestimmt auch ihre Alten und Kranken systematisch ausrotten werden!” als offizielle Stellungnahme derselben Regierungsfraktion rausgeht, deren Kanzlerin “Fuck the EU” als Äußerung in einem vertraulichen Telefonat zwischen z…? […]
Also das finde ich einen ziemlich intelligenten Beitrag – sowohl zum Thema Medienzirkus, als auch zum Thema Fuck the EU. Alle an diesem „Skandal“ und dessen Aufarbeitung beteiligten, haben sich wohl diesen Artikel zu Herzen genommen. Während ich dies hier (viel zu spät) kommentiere, haben den „Vorfall“ schon längst alle vergessen.