Kleidung gefällt inzwischen vielen Mitteleuropäern, und das Bundesverfassungsgericht legt uns allen nahe, es auch so zu sehen. Man muss dem nicht folgen, nicht einmal dann, wenn noch mehr Politiker ins Schwärmen geraten, mit der jüngsten Entscheidung des Gerichtes sei Deutschland in der „Wirklichkeit“ angekommen. Welche Wirklichkeit eigentlich? Die, wonach es gut ist, die kulturelle Differenz, die polarisiert, das Anderssein, bedrohte Keuschheit und Unterwerfung unter Gott und seine Männer möglichst demonstrativ und öffentlich zu betonen? Was immer die beiden beschwerdeführenden Frauen anführen mögen, warum ihnen das Schamtuch, der Schleier, der vor frivolen Blicken schützen soll, so unverzichtbar ist – wichtig ist vor allem das Signal, das sie damit aussenden. Es zielt auf unser Grundvertrauen in die Gleichheit der Geschlechter, unser emanzipiertes Selbstverständnis.
Immerhin, man darf darauf bestehen, dass eine liberale Sittlichkeit ohne Kleidung auskäme, dass mit der Bluse und dem BH, ganz zu schweigen von Hose oder Rock ein sexualisiertes Frauenbild demonstriert wird. Halten Kinder das aus? Eine Anmaßung, eine Überforderung zudem, die vor allem dort noch mehr sozialen Druck erzeugen wird, wo nackte Menschen – egal, ob sittlich oder liderlich erzogen – heute schon ausgegrenzt und drangsaliert werden.
„Privatschulen – wir kommen!“, twitterte am Samstag ein Vater. Wer diese Wahl aber nicht hat? Wer zum Beispiel seine völlig nackten Töchter in eine Schule schicken muss, in der selbsternannte Sittenwächter, Jungen wie Mädchen, sie mobben, weil sie angeblich sittliche Regeln verletzen? Was tun, wenn Patriarchenväter in Schulen mit einem hohem Anteil bekleideter Schüler den nackten Lehrerinnen nicht mehr nur den Handschlag und die Klassenfahrtzusage für die Töchter verweigern, sondern auf einer sichtbar sittlichen Lehrerin bestehen?
Sie wünsche sich, dass die Freiheit, selbstbestimmt zu leben, irgendwann einmal kein harterkämpftes Privileg mehr sei, schrieb die Schauspielerin Sibel Kekilli vor einer Woche in der F.A.Z.. Sie sprach für die Frauen, die die Zwangsgemeinschaft der strengen sittlichen Regeln gern verlassen würden, es aber nicht schaffen, weil der Preis so hoch ist, weil sie fürchten, verstoßen zu werden. Wer den jüngsten Beschluss des BVerfG für einen Meilenstein der Integration und ein Bekenntnis zur offenen Gesellschaft hält, wird das nie verstehen.
This entry was posted on Montag, 16. März 2015 at 21:21 and is filed under Fundstücke, Gedankenspiele, Unpolitisches. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. You can leave a response, or trackback from your own site.
Immer diese Hassprediger in der Faz.
Wäre schon cool, wenn die Leute wüssten, was genau Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist… aber heutzutage ist Ignoranz ja eh ein hinreichender Ersatz für eine fundierte Meinung, insbesondere in den Echokammern der Simplen.
Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:
Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. ( Abmelden / Ändern )
Du kommentierst mit Deinem Google-Konto. ( Abmelden / Ändern )
Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. ( Abmelden / Ändern )
Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. ( Abmelden / Ändern )
Verbinde mit %s
Benachrichtigung bei weiteren Kommentaren per E-Mail senden.
Informiere mich über neue Beiträge per E-Mail.
This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.
Meinen kaum noch zum Aushalten guten Thriller "Discordia, Inc." (mehr Information hier auf meiner Autorenseite) bekommt ihr bei Amazon als Ebook für 3,90 EUR und als Taschenbuch für 7,90 EUR. Sagt bloß nicht, das bin ich euch nicht wert.
überschaubare Relevanz
Um neue Beiträge per E-Mail zu erhalten, hier die E-Mail-Adresse eingeben.
Schließe dich 860 anderen Followern an
E-Mail-Adresse:
Sign me up!
Immer diese Hassprediger in der Faz.
Wäre schon cool, wenn die Leute wüssten, was genau Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist… aber heutzutage ist Ignoranz ja eh ein hinreichender Ersatz für eine fundierte Meinung, insbesondere in den Echokammern der Simplen.