Sprache ist ein Werkzeug. Und wie bei eigentlich jedem Werkzeug liegt es an uns, ob wir mit dem Werkzeug Dinge konstruieren, reparieren, in Ordnung bringen, verbessern, oder ob wir Dinge kaputt machen, durcheinanderbringen, verschlechtern.
Heribert Prantls SZ-Artikel „Warum Beten nicht vergebens ist“ ist dafür vielleicht nicht das beste Beispiel der Welt, aber erstens nimmt man manchmal, was man halt gerade kriegt, und zweitens ist es trotzdem für unsere Zwecke gar nicht so übel. Ich denke deshalb, wir schauen es uns mal an. Kommt ihr mit?
Der Artikel beginnt mit einer Menge repetitiven Gelabers à la
mit den üblichen Referenzen auf Literatur und Volksweisheiten, die man in Heribert Prantls Position anscheinend braucht, um den Lesenden zu demonstrieren, dass man Kultur hat, oder sowas, und kommt erst auf der zweiten Seite einigermaßen zur Sache. Oder eigentlich nicht. Nicht so richtig. Er tänzelt drumrum, wie man das in Heribert Prantls Position anscheinend so tut, um den Lesenden zu demonstrieren, was für ein gewandter Tänzer der hochgeistigen Debatte man ist.
Hier deutet es sich schon an, und kurz vor Schluss lässt Herr Prantl sich auch tatsächlich dazu herab, uns zu sagen, was genau er eigentlich meint, und es ist … joa, wie soll ich sagen? Man hätte nicht unbedingt zwei Seiten dazu gebraucht.
Es ist die Macht des Gebetes, dass es etwas mit dem Menschen macht, der betet.
Und da hat er natürlich Recht, irgendwie. Und das will er auch belegen, immerhin. Leider weiß er nicht, wie man das macht.
Und zum Schluss zieht er dann noch mal einen kleinen Schlenker über eine Variation seiner Kernaussage zum großen saisonadäquaten, aber ansonsten völlig sinnlosen Schlusssatz:
Und ja gut, eigentlich gibt es zu diesem Artikel natürlich nicht viel zu sagen, aber ich möchte trotzdem erläutern, warum ich das Bedürfnis habe, trotzdem zu erläutern, warum ich gerne trotzdem erläutern würde, dass ich euch trotzdem erläutern will … also, ich will sagen:
Was mich an diesem Artikel stört, ist gar nicht so sehr sein Inhalt. Der ist okay. Der wäre sogar sagenswert, wenn man ihn vernünftig sagen würde: Es hilft, über Dinge nachzudenken. Probleme zu reflektieren. Dafür gibt es verschiedene Methoden, und eine davon ist das (Selbst-)Gespräch, und eine Variante davon wiederum ist das Gebet. Das fand Herr Prantl aber mutmaßlich zu trivial, und da setzt jetzt meine Kritik an: Deswegen hat er sich dagegen entschieden, es klar zu sagen, und ein bisschen in der Rumpelkammer des Feuilletonjournalismus gewühlt, um es mit nutzlosem Tand und leerem Wortgeklingel zu verkleiden, wie man das an Festtagen eben manchmal macht. Deswegen hat er erst viel zu lange diesen komischen Popanz aufgebaut davon, dass Gebete als extrem peinlich und kindisch gelten, um dann triumphierend-heldenhaft aufzeigen zu können, wie daneben all diese angeblich aufgeklärten Skeptiker doch liegen, die das so sehen.
Und da kommt unter anderem der gleiche dämlich Kniff ins Spiel wie in dem sattsam bekannten Diskussionszug „Du kritisierst meinen Glauben, aber du glaubst ja selbst auch Sachen, also machst du selbst, was du kritisierst, also ist deine Position widersprüchlich, also hab ich recht, QED motherfucker!“ Nur weil zwei Sachen Glauben heißen, sind sie nicht dasselbe, und nur weil das Gebet eine Variante ist, Dinge zu reflektieren, und Dinge reflektieren tendenziell eine gute Sache, ist Reflektion und Gebet nicht das gleiche, und ist Kritik an Gebeten nicht falsch. Herr Prantl zeigt uns triumphierend, dass Gebete auch eine gute Seite haben, nennt einfach alles, was diese gute Seite hat, Gebet, verschweigt die schlechten, und ist ganz stolz drauf, uns damit – und mit dem besagten Wortgeklingel – zu verblüffen, nachdem er uns vorher ausführlich erklärt hat, dass wir das anders sehen und deshalb verblüfft zu sein haben, wenn er es uns zeigt. Oder so.
Denn das, wovon er die Vorteile aufzeigt, ist eben das Nachdenken und Reflektieren allgemein. Und er zeigt sie nicht mal richtig auf. Er behauptet sie bloß und erklärt das nicht, was schade und schwer verständlich ist, weil er ja vorgibt, überzeugen zu wollen. Und was unterscheidet denn das Gebet von den anderen Formen? Das Gespräch mit einer übernatürlichen Macht, und der Glaube an deren Einfluss zugunsten des vorgetragenen Anliegens. Der Unterschied ist also ein (recht offensichtlicher) Irrtum, und (recht offensichtlich) falsche Hoffnung. Und die beiden sind der Grund, aus dem Beten unvernünftig ist, und das kann man eigentlich auch nicht verkennen, wenn man aufrichtig drüber nachdenkt, und trotzdem verliert Herr Prantl kein Wort darüber. Man könnte an dieser Stelle vielleicht sogar fragen, ob nicht doch auch falsche Hoffnung Vorteile hat, und in welchen Situationen diese vielleicht die Nachteile des Irrtums überwiegen. Dafür müsste man sich dann vielleicht eher an modernen Psychologinnen orientieren als an 500 Jahre alten Mystikerinnen, aber auch das liegt Heribert Prantl fern. Er fragt nicht, er antwortet.
Und das ist nun wiederum der Unterschied zwischen aufrichtiger Reflektion und Nachdenken über etwas, und dem blinden Kampf um Affirmation der eigenen Vorurteile, ungeachtet deren Berechtigung. Ruhiger und geordneter zu sein ist meistens eine feine Sache, aber gewisser und mutiger sollte man bestenfalls dann sein, wenn man auch Gründe hat. Denn nur wenn man weiß, was man tut, und warum man denkt, was man denkt, weiß man auch, wo die Ansatzpunkte wären, um die Welt ein wenig zum Guten zu verändern. Ganz egal ob Ostern ist, oder nicht.
Prantl scheint dazu zu neigen, Sprache zu verdrehen. Hier gibt es noch so einen sprachlichen Taschenspielertrick:
http://www.sueddeutsche.de/politik/einigung-bei-frauenquote-schluss-mit-der-maennerquote-1.2238750
Er benutzt das Wort Quote in zwei verschiedenen Bedeutungen, tut aber so, als gäbe es keine Unterschiede. Dass Männerquote in diesem Beispiel lediglich beschreibt, welchen Anteil an Männern es in einem Unternehmen gibt, Frauenquote aber den gesetzlichen Zwang, Männer zu benachteiligen bedeutet, das unterschlägt er.
die aussage „man kann auch ungläubig beten“ ist ja schon mal totaler quatsch. wenn ich bete, wende ich mich an eine gottheit/entität, an die ich glaube und hoffe, dass das irgendwie etwas bewirkt. wenn ich nicht an irgendwelche gottheiten glaube bzw. daran, dass mein „gespräch“ irgendeine externe wirkung haben könnte, dann führe ich ein selbstgespräch. meine meinung.
was man vom beten an sich hält, ist wohl wieder ne andere sache.
Bonus für den Autor: Das Thema bietet die perfekte Möglichkeit, nebenbei an die Diskriminierung von Christen* zu erinnern.
Seht, welchen Gemeinheiten sie sich tagtäglich stellen müssen! Jaah, Gläubige sind die eigentlichen Opfer unserer ach so toleranten Gesellschaft!!
Beide Seiten reden um „des Kaisers Bart“. Es fehlen empirische Aspekte, wie ein Soldat in Vietnam es formulierte:
„Im Schützengraben gibt es keine Atheisten“ – aber das hat mit Religion nichts zu tun, oder? 🙂
@alphachamber
Was will mir das sagen? „Empirische Aspekte“ klingt schön schlau, meint es physikalisch/objektive Daten? Oder vielleicht Pragmatismus?
Das Zitat mit dem Soldaten ist keins von beidem. Der Standpunkt des Zitats ist die Situation einer Person in einer maximal besch** Lage, in unmittelbarer Lebensgefahr. Ist das der Zustand in dem man abgeklärt und logisch aufrichtig über die Welt und die Metaphysik nachdenkt? Genau.
@TakeFive: Vielleicht meint alphachamber ganz allgemein, dass Menschen während des oder nach dem Durchleben einer vermeintlich auswegslosen Situation eher zur Spiritualität neigen. Und diese Annahme könnte selbstverständlich empirisch überprüft werden.
@Jan:
Das bestreite ich auch nicht, im Gegenteil.
Meistens meinen Leute die sowas sagen aber nicht diese Ebene, sondern argumentieren tendenziös in Richtung „Glaube=sinnvoll, wirste schon sehen wenns dir mal schlecht geht.“ Meine Äußerung bezog sich auf diese Lesart.