Zu der aktuellen Serie Marvel’s Daredevil gibt es eigentlich gar nicht so viel zu sagen. Sie wäre (im Gegensatz zu dem Film, an dem echt nichts zu retten ist, soweit ich mich erinnere) trotz des ziemlich stumpfen Plots sehr sehenswert, wenn sie es nicht geschafft hätte, sich ausgerechnet die uninteressanteste und unsympathischste fiktionale Figur seit Monsters zu ihrem Protagonisten zu erwählen. Was schade ist, weil die anderen Charaktere eigentlich ausnahmslos echt gelungen sind, und weil ich den Darsteller Charlie Cox eigentlich sehr mag und seine Rolle deshalb schon echt gerne gut gefunden hätte.
Wirklich. Die zwei korrupten Polizisten haben mehr Charakter als der Arsch mit der Maske, und wer einen wehrlos am Boden liegenden Gegner noch ins Gesicht tritt, nur weil der ihn (zurecht) als dumm bezeichnet hat, der sollte wenigstens sonst irgendwie lustig sein, aber Daredevil hat den Unterhaltungswert einer Tasse lauwarmen Kamillentees und das unerträglich überhebliche Sendungsbewusstsein eines ADAC-Vertreters, und ich glaube, ich würde Geld bezahlen, um zu sehen, was Ramsay Snow mit ihm machen würde, wenn er ihn an sein Folterkreuz bekäme, womit wir beim eigentlichen Thema dieses Posts wären.
Ich. Kann. Nicht. Begreifen, wie man im Jahr 2015 noch eine Serie für ein dankbares Publikum ausstrahlen kann, die auf derart plumpe, unreflektierte, selbstverständliche Weise im unangreifbaren Bewusstsein der eigenen moralischen Überlegenheit Folter verherrlicht.
Wirklich. Ich kanns nicht begreifen. Daredevil ist tagsüber einer dieser unerträglichen Anwälte, mit denen uns die Popkultur seit Jahrzehnten quält, wohl in deutlicher Überschätzung der Coolness, die Arroganz und der Bewunderungswürdigkeit, die Rechthaben verleiht, und nachts foltert er halt Leute so lange, bis sie auf seine Fragen die Antworten geben, die er gerne hören möchte. Und perpetuiert damit diese widerliche und nach meiner Wahrnehmung nach wie vor grassierende Überzeugung, dass Folter eigentlich ein total guter Weg ist, an Informationen zu kommen, nur halt leider ein bisschen anrüchig, weil irgendwie nicht offiziell erlaubt.
Und weil ich es ziemlich unerträglich finde, dass einem das in jeder Episode unwidersprochen so beigebracht wird, würde ich gerne im Dienste meines eigenen Seelenfriedens hier gerne einmal widersprechen: Folter ist Mist. Und Folter ist nicht nur Mist, weil wir es irgendwie unschön finden, unsere Beamten damit zu beauftragen, Leute zu quälen, oder weil wir uns als Gesellschaft im Rahmen der notwendigen Abwägung der beteiligten Interessen entschieden haben, den Verlust an Zivilisiertheit und die Gefahr für Unschuldige höher zu bewerten als den Gewinn an kostbaren Informationen, der durch Folter zu erwarten steht. Folter ist (unter anderem auch) deshalb Mist, weil sie nicht funktioniert. Ja gut, der Artikel hinter dem Link beweist das natürlich nicht abschließend, und es fehlt nun mal an methodisch sauber durchgeführten Studien zu der Frage, aber es reicht ja schon, um festzuhalten, dass wir keine vernünftige Rechtfertigung haben, Leute zu foltern. Ganz egal, ob schuldig oder unschuldig, und ganz egal, ob wir dabei eine Uniform tragen, oder eine alberne Maske.
Und wer so hartnäckig und nachhaltig einem großen Publikum gegenüber den Eindruck erweckt, das wäre anders, und Folter wäre was total Gutes, wenn man sie nur verantwortungsvoll einsetzt, weil man anders halt nicht an die Führungskräfte hinter den kriminellen Handlangern auf der Straße rankommt, der trägt in meinen Augen zu einer Haltung bei, die unsere Gesellschaft krank macht, und die man wohl ohne unnötiges Melodrama als eine der größeren Bedrohungen für eine halbwegs angenehme Zukunft sehen darf. Und wenn die Leute, die das trotzdem tun, nicht von selbst aufhören, dann ist es in meinen Augen unsere Verantwortung, drüber zu reden, ihr Verhalten zu kritisieren, und ihnen ihren folterverherrlichenden Mist nicht abzukaufen.
Oder was meint ihr?