Ja, ich weiß, es gab schlimmere aktuelle Exemplare schlechter Berichterstattung, aber zu den G20-Festspielen hab ich kaum was gelesen, weil mir von der Selbstgerechtigkeit und Kolumnenhaftigkeit der Beiträge schlecht wird.
Weil ich meine eigene aber noch ganz gut vertragen kann und es nach wie vor krass edgy finde, die AfD zu verteidigen, hab ich mir ein weniger dramatisches Beispiel für meine heutige Medienkritik gesucht, die deshalb vielleicht nicht so lustig rantig wird wie sonst manchmal, aber ich hab mir sagen lassen, dass ein paar von euch das auch nett finden.
Hate-Speech vor der Sporthalle
hat die Zeit ihren Bericht überschrieben. Schon der Teaser fasst das Problem damit gut zusammen:
Armer Justizminister. Da hat er in seiner maßlosen Güte ein Gesetz gegen den Hass gemacht (der anscheinend nur im Internet ein Problem ist, weiß der Geier warum, aber unser Justizminister macht das schon), und will den Leuten sogar noch erklären, warum das ein voll gutes Gesetz ist, und dann ist das aber schwer, wegen der pöbelnden Krawallmacher. Manno.
Die Zeit schildert, dass Pegida und AfD gemeinsam auftreten und erklärt weiter:
Gleiches Schema: Heiko Maas‘ gesetzgeberisches Wirken wird darauf reduziert, etwas gegen so genannte Hasskommentare im Netz tun zu wollen. Das wird an dieser Stelle nicht weiter erklärt. Weder sagt die Zeit etwas zu konkreten Maßnahmen, noch zur Kritik dagegen. Die Darstellung der Kritik sieht an diesem Punkt so aus:
Falls einzelne Lesende noch nicht verstanden haben sollten, was von Leuten zu halten ist, die Heiko Maas‘ Gesetzgebung doof finden, darf der Dresdner Polizeipräsident das „am Rande in einem Interview“ noch mal klarstellen:
„Mit dem Pöbel muss man in Dresden bedauerlicherweise immer rechnen“
Immerhin hatte Doreen Reinhard den Anstand, noch explizit aufzuschreiben:
Zu gewalttätige [sic] Auseinandersetzungen kommt es nicht an diesem Nachmittag. Es bleibt bei lautstarkem Protest
Ich persönlich hätte unter anderem im Hinblick darauf vielleicht meinen Tonfall gegenüber diesem Pöbel weniger feindselig gestaltet, so als jemand mit journalistischem Anspruch und Respekt vor der Verantwortung, die mit der Aufgabe einhergeht, über politische Kontroversen zu berichten; andererseits will ich nun selbst nicht unfair werden:
muss man in der Taat [Ich schwöre, das war einfach nur ein Tippfehler, aber jetzt lass ich ihn stehen.] niemanden nennen.
Als Maas dann aber im Saal angekommen ist, pöbelt niemand mehr, und er daarf [Ja gut, das hab ich nachträglich mit Absicht gemacht.] unwidersprochen sagen:
und wenn ihr mich fragt, ist das zwar nicht so unfein wie „Sauhund aus dem Saarland“, aber so perfide, dass es für mich in der Endnote eher schlimmer ausfällt, zumal es ja nicht von irgendeiner demonstrierenden Person geschrieen wurde, sondern von einem Bundesjustizminister in einer vorbereiteten Rede gesprochen.
Als wäre das Internet derzeit ein rechtsfreier Raum. Als wäre das alles wirklich so einfach. Als würde sein Gesetz nur gewährleisten, dass bestehende Regeln zuverlässig durchgesetzt werden. Als wäre irgendwas, was er da sagt, mehr als ziemlich plumpe Propaganda.
Hier fasst Frau Reinhard immerhin noch kurz einigermaßen zutreffend, wenn auch ein bisschen unbeholfen, zusammen, was das Netzwerkdurchsetzungsgesetz regelt:
Und dann kommt der in meinen Augen putzigste Teil des Artikels: Frau Reinhard versucht jetzt doch noch mal, Kritiker zu Wort kommen zu lassen, bringt es aber in ihrer Sympathie für den armen Kämpfer gegen den Hass nicht einmal so richtig über sich, dieses Wort zu benutzen:
Na gut, vielleicht kann sie nicht so viel dafür. Möglich, dass in dem Saal tatsächlich alle sehr nett zu Herrn Maas waren und ihre Fragen eher vorsichtig formulierten, wie man das wohl üblicherweise so macht, wenn man auf einer öffentlichen Veranstaltung mit einem Minister redet. Trotzdem finde ich es unglücklich, dass als Eindruck hängen bleibt, die Kritik an Heiko Maas‘ Regulierungsplänen klänge diesseits von Pegida einhellig so oder ähnlich:
Und es müsste auch nicht sein, dass man so tut, als hätte Maas irgendwas entkräftet, indem er die (zugegebenermaßen auch schon nicht außerordentlich sinnvolle) Frage, ob es sich nicht nur um eine Kampagne gegen virtuelle Toilettenschmierereien handle, mit der Bemerkung „kontert“:
Wie gesagt, ich glaube Frau Reinhard sogar, dass sie den Ablauf dieser Veranstaltung einigermaßen zutreffend schildert. Ihr ist damit ein sehr anschauliches Beispiel dafür gelungen, dass man das tun kann, und trotzdem einen falschen Eindruck erwecken, nämlich den, dass im Grunde nur Pegida und AfD und solche unerfreulichen Leute – der Pöbel halt, ne? – wirklich was gegen das NetzDG und Maas‘ sonstige Ideen haben, während alle anderen im Grunde total auf seiner Seite sind und nur im Detail noch seine Erklärungen brauchen.
Bis auf den Theologen natürlich, der die Vorlage für den Schlusslacher liefern darf: