Wie Maike schon ganz zurecht kürzlich schrieb, besteht mein Leben ja derzeit maßgeblich daraus, außerhalb von Twitter über Twitter zu reden, aber immerhin bin ich da mit der FAZ in denkbar gu… seriö… ehrwür… sagen wir: traditionell in manchen Kreisen durchaus noch angesehener Gesellschaft, denn die FAZ hat ihren Autor Sebastian Eder erschrocken feststellen lassen:
Auf Twitter sind jetzt ALLE Rassisten
Darüber steht die aufschlussreiche Dachzeile (Heißt das so? Nicht dass jemals jemand auf diese Fragen geantwortet hätte, die ich oft in meine Texte einflechte, aber ich bin halt ein bisschen naiv) „Inflation der Nazi-Vorwürfe“, was sehr schön illustriert, dass die FAZ das anscheinend im Ernst genau so sieht, wie Maike es hier darstellt:
Deutschland muss dringend seinen #Rassismus-Begriff klären. Für viele bist Du erst dann 1 Rassist*in, wenn Du aus voller Überzeugung ein KZ betreibst. (Solange Du es nur wegen der Arbeitsplätze machst, kann man ja eigentlich nichts dagegen sagen).
— Dr.Seepferdchen (@OnkelMaike) April 24, 2019
Will sagen: Der FAZ-Autor macht anscheinend keinen Unterschied zwischen Rassist*innen und Nazis, was ja schon mal ein guter Start ist für einen Artikel über Rassismus, zu dem 1 eigentlich nicht viel sagen müsste außer
Sebastian hat über Rassismus geschrieben
SEBASTIAN
Mehr muss ihr über diese heuli heuli Text nicht wiesen https://t.co/Rl7v8fPz0H
— Johannes Tobias Müller dem Dritte (@graf_persephone) April 24, 2019
Aber ihr wisst ja, dass mich sowas nicht anficht, ich bin ja schließlich auch 1 nicht junger weißer Mann und deshalb voller Überzeugung, dass ich das Thema mindestens genauso gut, ähem, analysieren kann wie Herr Eder.
Sebastian Eders Analyse beginnt so:
Analyse. Merkt euch das mal, denn wir werden uns zum Schluss noch mal fragen, ob der Text diesen Begriff tatsächlich trägt. Ich wills aber auch nicht zu spannend machen, falls ihr nicht zu Ende lesen wollt: Nein.
Dann berichtet Herr Eder voll vor sich her getragenen Erstaunens, dass auf Twitter Leuten wie Ralph Ruthe (der einer poc einen Flug nach Nicaragua verlinkt hatte und sie indirekt aufgefordert, das Land zu verlassen) und Alf Frommer (der das auch okay fand und gar nicht verstehen konnte, warum Leute an seinem Urteil zweifeln, obwohl er doch mit einer „K******“ verheiratet ist) sich doch tatsächlich gegen den Vorwurf verteidigen, sie hätten sich rassistisch geäußert. Kaum zu glauben, oder? Zwei weiße Männer, die was Rassistisches gesagt haben?? Wo gibts denn sowas? Wo soll das hinführen? Wo doch Alf Frommer (evtl besser bekannt unter seinem handle @siegstyle, keine Pointe, wie ihr auf Twitter immer sagt)
Und es geht sogar noch absurder:
Noch absurder war der Shitstorm, der vor einer Weile über Shahak Shapira hereinbrach.
Um Shahak Shapira ging es hier ja vor Kurzem schon. Mir soll das an Stellungnahme reichen; wer sich selbst ein Bild machen will, mag gerne Eders Text lesen.
Das waren jetzt die Fallstudien, mit denen Sebastian Eder sich auseinandersetzt, und ich möchte an dieser Stelle schon mal ein kleines Zwischenfazit zum Begriff „Analyse“ ziehen. Eder hat referiert, was passiert ist, auf eine für jemanden mit meiner Naivität für die FAZ immer noch ein bisschen erstaunlich unprofessionelle Art, indem er nämlich – komplett und ohne irgendeine Relativierung, Einschränkung oder auch nur Kenntlichmachung dieses Umstandes – die Perspektive der drei weinenden Männer übernimmt, die Vorwürfe gegen sie weder erklärt, noch irgendwen zu Wort kommen lässt, der oder die sie vorbringt, und auch keinen Zweifel daran lässt, wie unsinnig und bescheuert er schon den Gedanken findet, eine dieser drei strahlenden Ikonen des Antifaschismus könnte irgendwas Problematisches getwittert haben.
Das ist keine Analyse, das ist nicht mal echte Parteinahme, das ist einfach nur peinlich schlechte Nacherzählung.
Aber es geht ja noch weiter. Sebastian Eder hat, wie ihr euch sicher erinnert, die Frage in den Raum gestellt, was das für Folgen hat. Hier ist seine Antwort:
Als Beleg dafür zitiert er – wunderts euch noch? – Alf Frommer selbst mit einem Judäische-Volksfront-Spruch. Aber Herr Eder hat noch nicht genug Klischees in seiner *ismus-Apologetik abgehakt, deswegen macht er noch weiter:
Und nicht etwa Leute wie Eder, die ihre Reichweite und den Ruf von Zeitungen wie der FAZ nutzen, um berechtigte Kritik als „Shitstorm“ abzutun, buchstäblich und ohne jede Übertreibung meinerseits unter vollständiger und konsequenter und nicht mal irgendwo kurz thematisierter Weigerung, andere Positionen zur Kenntnis zu nehmen.
Und das ist nicht nur dumm und borniert und unprofessionell, das ist unanständig und niederträchtig und – weil es Rassismus in Schutz nimmt, Leute diffamiert, die ihn kritisieren, und Leute auf Podeste stellt, die ihn verbreiten – auch selbst rassistisch.
Oder was meint ihr?
Dass Herr Eder auf Nachfrage kein einziges Beispiel für seine Nazi-Verunglimpfungen gegen Ruthe und Frommer zeigen kann, das aber natürlich trotzdem nicht zugibt, überrascht niemanden, aber ich wollte es hier doch gerne festhalten:
Dachzeile ist korrekt.
Heißen Dank!